Besucher
gratis Counter by GOWEB

drucken
Generalleutnant a.D. Hans-Otto Budde, Inspekteur des Heeres 2004 -2010

Koblenz, 23.November 2017

Begrüßung zur Gedenkfeier

am

Ehrenmal Deutsches Heer


Es war mir immer eine große Ehre und zugleich auch Freude, Sie zur Gedenkfeier am Ehrenmal des Deutschen Heeres begrüßen zu dürfen.
Da General Kammerer als mein Nachfolger gewählt wurde, stehe ich heute zum letzten Mal vor Ihnen, und so überwiegt das Gefühl, geehrt zu sein.

Auch deshalb ist es für mich ein ganz besonderes Gefühl, Sie, hoch verehrter Professor Dr. Vogel, als Ehrengast und Redner begrüßen zu dürfen.
Es wäre reizvoll zugleich aber auch abendfüllend, Ihre Verdienste darzustellen, die Sie in den unterschiedlichsten Ämtern für das Gemeinwohl erwarben.
Nicht nur die Bürger von Rheinland-Pfalz und Thüringen könnten uns von ihrem ehemaligen Ministerpräsidenten erzählen, auch Auszeichnungen und Ehrungen zeichnen das Bild eines Staatsbürgers, der in herausragender Weise für humanitäres Handeln, Herzlichkeit und intellektuelle Stärke steht.
Keine Überraschung also, dass wir geehrt sind und uns freuen, daß Sie, Herr Präsident, mit uns der Toten gedenken und am Ehrenmal des Deutschen Heeres zu uns sprechen.

Ich erwähnte, dass die Freude, heute hier zu stehen, wegen meines Ausscheidens etwas getrübt ist – sie ist aber auch getrübt, weil meine Aufgabe die Begrüßung ist und keine Stellungnahme zu den Geschehnissen der letzten Monate, obwohl gerade die Diskussion über die Wehrmacht, über die Soldaten der Wehrmacht eine Stellungnahme geradezu erfordert.

Ja, es fällt mir schwer, mich zurückzuhalten, denn ich gehöre wie viele von Ihnen einer Generation an, deren Väter Soldat waren. So wie mein Vater – und mein Vater war ein Ehrenmann. Ich wünschte mir, ihm in Frage der christlichen Ethik, der Humanität und der Nächstenliebe ähnlicher zu sein.

Ich bin mir sicher, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass viele von Ihnen ähnlich empfinden und das Ansehen Ihrer Verwandten schützen.
So wie Sie, hoch verehrter Herr Vogel, ganz sicher das Ansehen Ihres älteren Bruders verteidigen, der sich im Juli 1943 als 17jähriger zur Wehrmacht, genauer zur Infanterie meldete, um sich gegen die intensive Werbung der Waffen-SS zu schützen.

Und meine Generation wurde geführt, ausgebildet und erzogen von Offizieren und Unteroffizieren, die in der Wehrmacht geprägt wurden und die sich zumeist in den Nachkriegsjahren im Zivilleben bewährt hatten.
Sie haben mir beispielhaft vorgelebt, wie man Menschen führt – nicht im sterilen Umfeld des Hörsaales oder der Universität, sondern in der bisweilen staubigen Wirklichkeit.
Durch diese Vorgesetzten habe ich die tiefe Wahrheit der Forschungsergebnisse der Soziologen Shilks und Janowitz verstanden. Sie wiesen noch vor van Crefeld nach, dass die Kampfmoral deutscher Soldaten auch noch nach der sich abzeichnenden Niederlage auf Kameradschaftsnormen zurückzuführen ist. Nicht die ideologische Identifikation mit dem Nationalsozialismus, nicht die Freude am Töten, nicht der Zwang der Vorgesetzten, sondern das Pflichtgefühl gegenüber den neben ihnen kämpfenden Soldaten haben die Wehrmacht kampffähig gehalten.
Solche Kameradschaftsnormen müssen gepflegt werden. Und dies erhält dann nach medial aufbreiteten Skandalen besonderes Gewicht.
Ich darf mich auf Professor Dr. Stefan Kühl beziehen, der die einem Skandal routinemäßig folgenden Abläufe in drei Phasen unterteilt:

Phase 1: Veränderung des Personals
Phase 2: Verfeinerung der organisatorischen Programme, zum Beispiel Erlasse und Vorschriften
Phase 3: Veränderung der Kommunikationswege mit Überspringen von Hierarchien

Die Effekte dieser durchaus nachvollziehbaren, wiewohl die Kameradschaft besonders belastenden Maßnahmen sind eindeutig:
Zunächst scheint die Einhaltung von Regeln und Erlassen wichtiger als das Erreichen der Ziele.
Der zweite Effekt führt mit dem Ausbau von Controlling und Compliance dazu, dass sich die Macht verlagert – weg von der operativen Ebene, wo die eigentliche Arbeit mit Sachverstand geleistet wird, hin zu den Bereichen, die OBEN die Überwachung wahrnehmen – nicht immer mit gleichem Sachverstand.
Kurz: die Verlagerung der Macht führt zur Unterminierung der Autorität der Vorgesetzten.

Meine Damen und Herren, es bedarf wohl keiner weiteren Grundlagenforschung, um die schlimmen Auswirkungen auf das kameradschaftliche Gefüge zu erkennen.

Meine Vorgesetzten, die in der Wehrmacht gedient und gekämpft hatten, haben mich gelehrt, mit Regelverletzung angemessen umzugehen, haben mein Gespür geschult, welche Regelabweichungen um der Kameradschaft willen punktuell geduldet werden sollten, und welche unter keinen Umständen.
Eine Unterscheidung, die notwendig ist, um das Vertrauen seiner Untergebenen zu erhalten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe großen Respekt, wie General Vollmer diesen Spagat bewältigt hat.
Herr General Vollmer, lieber Jörg! Du hast betont, dass Du Vertrauen in Deine Soldaten hast – laß` Dir sagen, dass ich Vertrauen in Dich habe: Du wirst diese schwierige Lage meistern.

Heute gedenken wir Soldaten, die ihr Leben ließen, die, wie Klaus von Dohnanyi an dieser Stelle feststellte, „im guten Glauben an ihre Pflichten und Aufgaben ihr Leben oder ihre Gesundheit als tapfrere Soldaten Deutschlands verloren haben“.
Meine Damen und Herren, wir gedenken nicht einer Organisation, nicht den königlichen Heeren oder der Wehrmacht, wir gedenken der Soldaten, der Menschen.
Und ganz selbstverständlich haben in diesem Gedenken die Gefallenen unserer Bundeswehr ihren Platz, ebenso wie ihre Kameraden, die nach herausragenden Leistungen aus den Einsätzen zurückgekehrt sind und denen die öffentliche Anerkennung bislang nicht zuteil geworden ist. Es ist eine Aufgabe der nie rastenden Fürsorge, sich ihrer anzunehmen.

Und dieses Gedenken der Toten führt uns zum Aufruf an die Lebenden, dass Freiheit und Recht nur verteidigt werden können, wenn wir bereit sind, dafür Opfer zu bringen.

Und ich weiß, dass sich unser Heer, unsere jungen Soldaten, Frauen wie Männer, dieser Verpflichtung gestellt haben und stellen – trotz Gefahr, an vielen Orten dieser Welt und in Festigkeit und Treue, Kameradschaft und Tapferkeit. Sie haben meinen, ich darf sagen unseren tiefen Respekt.
Und wenn wir uns nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, am Ehrenmal versammeln, so ist dies ein Zeichen auch unseres Willens, alles für die Freiheit zu tun, unsere Pflicht zu erfüllen.

Ich danke Ihnen.

Erstellt von: system letzte Änderung: Freitag, 12. Januar 2018 [15:25:36] von akress