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Übergabeappell Munsterr

Munster, 30. März 2022

Rede des Inspekteur des Heeres

anlässlich des Übergabeappells des Kommandos über

die militärische Grundorganisation des Heeres und

die deutschen Anteile der Multinationalen Korps von

Generalleutnant Thomas an Generalleutnant Marlow

am 30.März 2022

in der Panzertruppenschule Munster

(AUSZUG)


Kameradinnen und Kameraden, Angehörige des Kommandobereichs Militärische Grundorganisation und deutsche Anteile Multinationale Korps.

Was viele sich nicht vorstellen konnten ist eingetreten. Europa ist wieder Kriegsschauplatz. Allen voran ein Despot, der seit mehr als einem Jahrzehnt vor unseren Augen seine Vision eines neuerstarkten Imperiums mit Waffengewalt nach Innen und Außen zu erzwingen versucht. Nachgewiesen kriegsverbrecherisch und menschenverachtend.

Im Glauben vom „Ende der Geschichte“ und einem scheinbar immerwährenden Frieden, haben viele Menschen in unserem Land und in Europa eine, wenn nicht die wichtigste Lektion verdrängt: Unsere Demokratie und unsere Werte müssen jeden Tag verteidigt werden, nach Innen, aber auch nach Außen! Durchsetzungsfähige Streitkräfte, voll ausgerüstet, gut ausgebildet und organisiert, sind ein wesentliches Instrument für die äußere Sicherheit eines Staates. Dies sicherzustellen ist nicht allein Aufgabe der Streitkräfte, sondern eine gesamtstaatliche Verpflichtung, wie sie die Worte Artikel 87a unseres Grundgesetzes auf den Punkt bringen.
Das Potential – die Möglichkeit – militärische Macht passiv und aktiv anzuwenden, abzuschrecken, den potentiellen Preis für jedwede Aggression hochzutreiben und den Calculus der neugierigen Abenteurer zu beeinflussen, all das ist von keinem anderen staatlichen Instrument außer Streitkräften zu bewerkstelligen.
Was uns diese Tage lehren, ist stets wachsam und verteidigungsbereit zu sein. Die von Bundeskanzler Scholz zu Recht so benannte „Zeitenwende“ ist Teil der Reaktion Deutschlands auf diese wiedergewonnene Erkenntnis.
Der furchtbare Krieg am Rande Europas ist noch in vollem Gange. Auch heute verlieren wieder Menschen, Zivilisten, Soldaten ihr Leben. Gerade jetzt verlassen Tausende ihre Heimat auf der Suche nach Schutz und Geborgenheit für sich und ihre Kinder. Ein europäisches Land legt ein Nachbarland in Schutt und Asche. Es dauert an und ist unfassbar!
Dennoch, so denke ich, können wir drei wesentliche Beobachtungen mitnehmen, die ich mir im Folgenden mit dieser Übergabe zu verknüpfen erlaube!

1. Starke Landstreitkräfte sind in jeder militärischen Auseinandersetzung auf dem europäischen Kontinent unverzichtbar. Die allabendlichen Bilder aus dem Kriegsgebiet vermitteln einen intensiven, verlustreichen, zeitaufwendigen, die Kräfte verzahnenden Krieg an Land. Der zu beobachtende Kampf zum unmittelbaren Schutz der eigenen Bevölkerung in und um urbane Gebiete, die Bedeutung des Haltens und Wiedernehmens von Räumen unterstreichen die Rolle von Landstreitkräften im Rahmen der dimensionsübergreifenden Gefechtsführung heute und in Zukunft.
Für die Entwicklung dieser Zukunft im Deutschen Heer stehen die Frauen und Männer des Amtes für Heeresentwicklung, die hier mit angetreten sind. Sie erarbeiten die Grundlagen für die materiellen Bedarfe des Heeres, schreiben die grundlegenden Vorschriften und stellen das Zusammenwirken unserer Truppengattungen auf dem Gefechtsfeld sicher.
Die Versäumnisse der Vergangenheit in der Alimentierung der Streitkräfte lassen sich nicht über Nacht beheben. Was mit einem Federstrich zerschlagen und aufgelöst wurde, gilt es nun in Jahren mühsam wieder zu errichten. Alles was wir jetzt und schon in den letzten Jahren neu konzipiert, aufgebaut und beschafft haben, wird erst in der Zukunft seine Auswirkungen auf die Kriegstauglichkeit unseres Materials und die Kriegstüchtigkeit der Landstreitkräfte insgesamt haben.
Allzu viel Zeit haben wir dazu jedoch nicht. Der Generalinspekteur der Bundeswehr hat uns die Messlatte hoch angelegt. Bis 2025 sollen wir im Heer eine Division mit drei einsatzbereiten, voll aufgefüllten Brigaden bereitstellen.
Das in der Einrichtung befindliche Sondervermögen ist dazu ein wesentlicher Meilenstein, dessen Anteil für das Heer uns in die Lage versetzen sollte, einerseits die Lücken der Vergangenheit zu schließen und andererseits die Zukunftsfähigkeit des Heeres zu sichern.
Aber Geld allein wird nicht ausreichen, um den Anforderungen im Bündnis gerecht zu werden und für die Zukunft gerüstet zu sein. Wir müssen auch Strukturen im Heer und in den gesamten Landstreitkräften der Bundeswehr anpassen, um unsere Brigaden und Divisionen wieder kaltstartfähig in die Lage zu versetzen, das Gefecht der verbundenen Waffen in der Landes- und Bündnisverteidigung zu führen.

Meine zweite Beobachtung ist: Mut, Tapferkeit, Motivation und Einstellung machen einen Unterschied! Ich denke, wir alle schauen mit großer Bewunderung auf die Bevölkerung der Ukraine und ihre Streitkräfte. Mit welcher Selbstverständlichkeit, Hingabe und Durchhaltewillen sie sich dem russischen Aggressor entgegenstellen. Dies muss für uns ein Vorbild sein!
Diese Einstellung, diesen Wehrwillen, diese Bereitschaft das umzusetzen, was wir in unserem Eid zur Verteidigung des Rechts und der Freiheit des Deutschen Volkes geschworen haben, ist die vornehmste Aufgabe aller Angehörigen des Heeres.
Sie, unsere Soldatinnen und Soldaten aus dem Ausbildungskommando in Leipzig und in den Schulen, die hier in unserer Mitte stehen, sind es, die diesen Anspruch in den Ausbildungseinrichtungen des Heeres mit gleicher Verve wie das professionelle Handwerk des Soldaten vermitteln müssen. Beides ist gleich wichtig. Das Können und das Wollen, im hochintensiven Gefecht gegen jeden militärischen Gegner zu bestehen.
Dabei ist unsere Innere Haltung unsere äußere Stärke. Die Menschen im Heer, die Sie ausbilden und an ihre militärischen Aufgaben heranführen, sind das Wichtigste und Beste, was wir haben. Diese Truppe ideell und materiell mit dem besten Rüstzeug zu versehen, ist und bleibt unser aller größte Verpflichtung.

Meine dritte Beobachtung: Gemeinsam sind wir alle stärker als alleine! Diese auf der hohen politischen Ebene des Bündnisses, der Europäischen Union, ja der Weltgemeinschaft zu beobachtende Solidarität und Einigkeit lässt sich auf unserer Ebene in der Multinationalität des Heeres im Kleinen wiederfinden.
Sie, die Angehörigen der Deutschen Anteile in den Multinationalen Korps sehe ich hier als Speerspitze unserer Bereitschaft, mit allen Alliierten das gemeinsame Ziel der Verteidigung unserer Werte, den Schutz unserer Mitbürger und Wahrung unserer territorialen Integrität sicherzustellen.
Nur gemeinsam können wir diese Ziele erreichen. Und so wie wir Deutsche während des Kalten Krieges von der Bündnissolidarität unserer Partner profitiert haben, so sind wir heute in der Verpflichtung, diese Solidarität im Angesicht einer neuen Aggression zu gewähren.
Ich bin überzeugt, Sie sehen es mir – als ehemaligem KG des 1. DEU/NLD Korps – an dieser Stelle nach, wenn ich das Motto des Korps unterstreiche. Communitate Valemus! Gemeinsam sind wir stark!
Der Hinweis auf dieses Korps in Münster erlaubt mir zu beiden Hauptpersonen dieses Appells überzuleiten, denn beide haben in Ihren vorherigen Verwendungen diesen Geist miterlebt und gelebt.


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Erstellt von: system letzte Änderung: Freitag, 22. April 2022 [13:18:06] von btheus